Stadtteilspaziergang mit Peter Bergfeld zu den künstlerischen Ereignissen von Neu Olvenstedt Der Autor hält einige grundsätzliche Bemerkungen vorab für wichtig, damit der Spaziergänger weiß, worin er sich bewegt: der Plattenbau-Stadtteil Neu-Olvenstedt wurde Ende der 1970er Jahre für ca. 42.000 Einwohner auf einer Fläche von ca. 1,7 qkm mit ca. 14.000 Wohnungseinheiten geplant, das entsprach einer rechnerischen Wohndichte von ca. 247 Einwohnern je ha bzw. ca. 25.000 Einwohner pro qkm, das ist noch keine maximale Verdichtung, in anderen Plattenbau-Siedlungen wurden Wohndichten bis 300 Einwohner je ha projektiert. Diese geplanten Zahlen wurden aber nicht erreicht, 1993 wohnten ca. 32.000 Personen, 2000 ca. 19.500 Personen, 2007 ungefähr 12.000 Personen und 2011 nur noch ca. 10.700 Personen in Neu-Olvenstedt.Der Spaziergang beginnt im 1. Bauabschnitt am östlichen Rand des Wohngebiets und endet nach ca. 3,8km am Wohngebietszentrum Olven1 an der Olvenstedter Chaussee.Der Spaziergang beginnt östlich von Neu-Olvenstedt am ersten blauen Punkt, man kommt entweder mit dem Bus via Olvenstedter Graseweg (oberhalb des Sportplatzes), geht dann entlang der Heiwächtztrasse Richtung Einstein-Gymnasium, das man östlich passiert, oder man kommt zu Fuß oder mit dem Rad durch den Bördepark aus Richtung Holzweg (vom rechten Bildrand her).
und Erich-Rademacher-Freibad südlich (siehe nächstes Bild). Der Magdeburger Schwimmer Erich (Ete) Rademacher (1901-1979) war in den 1920er Jahren einer der weltbesten Schwimmer, er gehörte wie z.B. Johnny Weißmüller zum „Goldenen Sextett“ der Weltschwimmerelite. Leider hatte er das Pech als Deutscher 1920 und 1924 von den VII. und VIII. Olympischen Spielen ausgeschlossen zu sein, seine Leistungen, die sich in vielen Weltrekorden zeigten, lagen zu diesem Zeitpunkt über 200m-Brust um 10s und über 400m-Brust um 26s unterhalb des Olympiasieges. Endlich konnte er 1928 in Amsterdam eine Olympische Goldmedaille im Wasserball erringen. Er verstarb 1979 in Stuttgart.
Genau hier begrüßt uns das unten abgebildete Windspiel, wenn der Westwind es will, drehend. Das Foto ist in die Richtung gemacht, aus der man den Stadtteilspaziergang beginnen sollte.
Der Magdeburger Metallgestalter Wilfried Heider (1939-1999) hat in seiner Heimatstadt viele schöne Spuren hinterlassen, die jeder Magdeburger kennt, dieses Windspiel ist eins von zwei Windspielen und gefällt ebenso wie das zweite im Neustädter Feld duch seine durchdachte Konstruktion. Weiter sind zu nennen die Edelstahl-Trinkbrunnen im Nordabschnitt Breiter Weg (Ostseite) und die Sonnenuhr wie auch der Fischbrunnen am Schleinufer. Wir werden ihm später noch einmal begegnen.
Wir setzen den Weg westwärts fort und bemerken nach ca. 220m auf der rechten Seite des Parkwegs die unten abgebildete leere Fläche.
So hat sie ausgesehen, siehe unten, die Skulptur von Maxim Gorki. Sie stand als Symbol für die partnerschaftliche Entwicklung des Wohngebietes Neu-Olvenstedt mit einer zum ähnlichen Zeitpunkt entwickelten Wohnstadt in Gorki, heute wieder Nishni Nowgorod. Nach Beschädigungen wurde sie 2004 abgebaut, der Verbleib ist unklar.
Da eine leere Fläche nicht so spannend ist, begehen wir weiter den Parkweg, bis wir direkt am Wegesrand die unten abgebildete Plastik sehen.
Hier ist Phantasie gefragt, ein jeder darf sich ein Tier vorstellen.
Wir befinden uns jetzt am dritten blauen Punkt und biegen jetzt nach rechts in den gezeigten Weg ein.
Nach ca. 100m gelangen wir zum unten abgebildeten Gebäude. Es lohnt sich, einmal ganz herum zu gehen, das Gebäude aus verschiedenen Winkeln und Entfernungen zu betrachten, um die künstlerische Darstellung von Birken zu besehen.
Unser Rundgang führt uns dann zurück auf den Parkweg, den wir weiter westlich begehen, bis wir erneut durch die unten gezeigten Tierplagiate aufgehalten werden.
Der Phantasie und Spekulation über die Tierplagiate sind keine Grenzen gesetzt.
Nach eingehender Betrachtung verlassen wir genau hier am fünften blauen Punkt den Parkweg in Richung Süden und bewegen uns in Richtung Johannes-Göderitz-Straße zum sechsten blauen Punkt. Gerade wenn die befahrbare Straße beginnt, sehen wir auf der linken Seite hinter dem Kindergarten eine leere Fläche, auf der bis Mai 2013 das unten abgebildete Gebäude stand.
Trotz öffentlicher Proteste und einer möglichen Alternativnutzung entschloß sich der Eigentümer, das Gebäude inklusive seines schönen Schmuckes niederzulegen.
Die typischen Farben des Flieders begegneten uns hier.
Wir machen kehrt und gehen oder fahren zurück auf den Parkweg. Den beschreiten wir nun weiter in westlicher Richtung bis nach wenigen Metern auf der linken Seite die Gaststätte Tokio-Haus wie unten erscheint. Das unscheinbare Gebäude hat ein näheres Hinsehen verdient.
Die Fensterscheiben sind künstlerisch gestaltet, was aber erst von innen richtig sichtbar wird.
Nach der Betrachtung der Fensterscheiben verlassen wir den Parkweg nach Norden und betreten den Waldhof (achter blauer Punkt). Im abgezäunten Bereich der Rückseite der Hans-Grade-Straße sehen wir das unten abgebildete Gebäude.
Nach der Erfreuung durch die hübschen Motive gehen wir die Erschließungsstraße weiter nach Norden, folgen der Hans-Grade-Straße nach links, bis wir auf den Scharnhorstring treffen, den wir nach Norden begehen. Wenn uns die Straßenbahngleise verlassen, kommt hinter dem Olvenstedter Graseweg auch schon das Walter-Friedrich-Krankenhaus in Sicht (ganz oben im Bild, die beiden blauen Punkte).
Es wurde 1985-1989 von Christa Schultz, Ingrid Krüger, Siegfried Miersch und Karl-Ernst Zorn mit 400 Betten erbaut. In den Jahren 2003-2005 hat das Krankenhaus umfangreiche Erweiterungen erfahren, errichtet wurden ein OP-Gebäude sowie die Bettenhäuser für Psychatrie und Chirurgie. 2012 wurden hier 60.559 Patienten behandelt. Dahin gehen wir, überqueren den Olvenstedter Graseweg und sehen vor dem Parkplatz unmittelbar neben der Eingangsrampe den unten abgebildeteten Brunnen.
Brunnen und Krankenhaus tragen den Namen des Magdeburgers Walter Friedrich (1883-1968), der als einer der Mitbegründer der Biophysik gilt und als Wissenschaftler weltweite Anerkennung genoß, er ist tatsächlich weltberühmt, also daheim gleich unter Walter Friedrich nachschlagen, um ihn kennen zu lernen. Direkt am Weg nahe am Brunnen sehen wir die unten abgebildete Edelstahlsäule. Hier wie am Brunnen erkennen wir sofort die Handschrift des uns durch die Windharfe am Anfang unseres Rundganges schon bekannten und geliebten Magdeburger Metallgestalters Wilfried Heider.
Nun verlassen wir das Areal des Krankenhauses und begeben uns in den 2. Bauabschnitt von Neu-Olvenstedt. Dazu begehen wir den Olvenstedter Graseweg nach Westen bis wir auf die St.-Joseph-Straße treffen, in die wir nach links einbiegen und und die uns ca. 250 m begleitet. Auf der rechten Seite erblicken wir nun die noch in der DDR für die religiösen Bedürfnisse der Neu-Olvenstedter errichtete katholische Kirche St. Josef von Horst Freitag und Ralf Niebergall 1986-1991.
Sehenswert sind hier die Glasfenster von Maren-Magdalena Sorger.
An der Kreuzung unmittelbar südlich der Kirche biegen wir nach links in den Bruno-Taut-Ring ab und passieren den Jugendclub „Die Brücke“. Unmittelbar am Ende des Gebäudes winkt uns das nächste künstlerische Ereignis.
Das Staunen über diese vieldimensionale Figur begleitet uns auf dem Weg weiter den Bruno-Taut-Ring Richtung Osten, wir passieren rechter Hand ein national tätiges Box-Gym und linker Hand ein neues Ärztehaus, widerstehen aber der Versuchung auf dem Fußweg zu bleiben und begleiten den Autofahrweg bis vor zur Gleistrasse, erst jetzt schwenken wir rechts, umrunden die Kaufhalle und betreten nun den Brunnenstieg von Osten genau in Höhe der Straßenbahnhaltestelle nebst Fußgängerschutzweg. Der Blick in den Brunnenstieg sollte das nächste Bild erkennen lassen. Wie wir sehen, sehen wir nichts, jedenfalls nichts bemerkenswertes. Die namengebenden Brunnen wurden erst still gelegt, darum dann von der Bevölkerung als Mülleimer benutzt und deswegen wiederum von der Stadtverwaltung demontiert, so geht das. Das traf sich damit, daß das Wasser und auch die Bepflegung der Brunnen immer teurer wurden und keiner das bezahlen wollte.
Tiefe Trauer ergreift einen jeden Passanten, wenn er an das Schicksal und die Abwesenheit der Werke eines bekannten Magdeburger Künstlers denkt. Wenigstens gibt es noch ein Erinnerungsfoto.
Gott sei Dank wird man als Passant aber von dieser Niedergeschlagenheit bald befreit, da der Brunnenstieg doch noch dem Spaziergänger die Ehre seiner Namensgebung beweisen kann. In der Hälfte seiner Länge, nach dem Ende der Kaufhalle, weitet sich der Brunnenstieg zu einem Platz auf und präsentiert einen weiteren Brunnen eines wirklichen Magdeburger Künstlerschwergewichts, Heinrich Apel, siehe unten. Heinrich Apels Werke zieren die gesamte Stadt, man kann sie zielsicher an seiner Künstlersignatur erkennen, die wirklich, mehr oder weniger versteckt auf jedem seiner Werke zu finden ist, es ist eine kleine runde Plakette, die einen Vogelkopf mit spitzem Schnabel abbildet, suchen und merken und woanders wiedererkennen.
Es lohnt wirklich, in die Details zu sehen, dann erst wird man im Bildhauer einen Freund gewinnen, der einen jeden Interessierten in vielen Ecken der Stadt wieder begrüßt.
Wenn wir dann mit großer Feude durch Betrachtung den Platz verlassen, müssen wir leider noch an der 2. Narbe des Brunnenstiegs vorbei.
Man kann nur hoffen, daß diese originellen Werke unseres Wilfried Heider wenigstens ordentlich aufbewahrt werden.
Wir bewegen uns dann rechts herum in Richtung Westen, mit der Absicht links in die Marktbreite einzubiegen und eine weitere interessante Besonderheit von Neu-Olvenstedt zu erleben (auf der Karte der 16. und 17. blauer Punkt).
Auf unsere linken Seite können wir nun drei mit Keramik durch Manfred Gabriel gestaltete Hauseingänge betrachten, wie sie unten abgebildet sind.
Das Gebäude ist von Abriß, bzw. wie es heute heißt, von Rückbau bedroht. Rechter Hand sind ebenfalls sehenswerte Ereignisse in den Blick getreten, die Balkonbrüstungen wurden auch von Manfred Gabriel gestaltet. Das Gebäude steht auch auf der Abrißliste. Erfreut euch, so lange es noch geht, es ist ein Gruß aus einer anderen Zeit.
Nach diesem schönen Ereignis folgen wir weiter der Marktbreite fort, allerdings über eine große Ödfläche, vorbei an einer verlassenen Wohngemeinschaftseinrichtung. Die große Fläche entstand durch Abriß und war ehemals bebaut. Wenn der Weg wieder von Wohnhäusern begleitet wird, rückt eine Pergola der Künstler Christel Kiesel und Günther Wächtler ins Blickfeld.
Größer kann der Kontrast nicht sein: auf der einen Seite industriell gefertigte Wohnmaschinen in maximal ökonomisierter Massenproduktion und hier, mittendrin aufwändig handgefertigte Keramik, hergestellt auf der Töpferscheibe, per Hand zusammengefügt, welch ein Erlebnis der Breite des aktuellen Daseins, welch eine idyllische Erinnerung.
Diese Wucht des vorigen Gedanken geht dem Spaziergänger wie ein Mühlstein im Kopf herum, so daß er sofort die Möglichkeit einer kleinen Rast in dieser hübschen Umgebung nutzt (Sonnenstrahlen vorausgesetzt und: es sangen die Vöglein so selig im Lenz, das eine lockte das andre …). Kann man sich gut vorstellen, oder?
Dann folgen wir weiter der Häuserkante, da, plötzlich stoßen wir unvermittelt auf die ewige und auch heutige Allegorie des Übeltäters, den Wurm, man könnte gehofft haben, Siegfried oder auch der (Deutsche) Michel oder dessen Nachfolger, der Heilige Georg, haben ihm ordentlich den Garaus gemacht, aber er begegnet uns als Schädling weiter unverdrossen im Personalcomputer ebenso wie im Darm oder Garten, hier haben wir ihn nun erwischt, er ist in Bewegung, wie die Wellenform seines Leibes anzeigt, natürlich auf der Flucht, wie es einer kläglichen Erscheinung zukommt (Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwühlt, Den, wie er sich im Staube nährend lebt, Des Wandrers Tritt vernichtet und begräbt). Um die Verwirrung zu vervollständigen, hier noch eine Kostprobe aus der Weltliteratur, die Allegorie des Wurms betreffend, erstaunt stellt ein Akteur 2 andere Akteure vergleichend fest: Wie gleicht er dem Weibe! Der gleißende Wurm glänzt auch ihm aus dem Auge. Heute völlig unübliche und deshalb relativ schwierige Bildsprache. Zur Krönung, das letzte Zitat wird gesungen, ha ha! Kleine Zitate am Rande, wer die Werke oder die Autoren nennen kann, wird im Stadteilbüro des Internationalen Bundes (Adresse siehe unten) mit einem wohlwollenden Schulterklopfen und einem feuchten Händedruck ausgezeichnet.
Der Wurm hat eine rätselhafte Eigenschaft, die ich hier aber nicht verrate, wenn man diese Sonderlichkeit bemerkt hat, darf man zu sich sagen: Was soll es bedeuten? Und schon beginnt die Inspiration.
Ganz in der Nähe begegnen wir einer riesigen Kugel. Sie ist Bestandteil einer großen Wasser führenden Anlage und belebt damit die Gegend, siehe unten.
Wir stoßen aber nun nicht ganz durch zum vermeintlichen Ende unseres Spaziergangs, sondern wandern nach rechts in die St.-Josef-Straße vorbei am Kindergarten linker Hand zum vorletzten blauen Punkt,
um danach auf die Schwester der oben gesehenen Skulptur Luftfahrt zu treffen.
Diese Figur ist ebenso rätselhaft und gleichzeitig hübsch anzusehen wie erst erlebte, es braucht Zeit, sie kennen zu lernen, das steht fest.
Jetzt bitte umkehren bis zur Marktbreite, um zum Ende des Spaziergangs zu gelangen. Mitten auf dem großzügigen Platz, der durch Abriß entstanden ist, interessiert uns eine schöne Brunnenanlage inklusive einer männlichen Aktfigur, und bitte genau hinsehen. Das historisch beliebte Motiv eines übers Wasser Laufenden gibt uns hier Grund zur Beschäftigung und auch Erfreuung und vor allem zur Ermutigung.
Denn, das Unmögliche kann möglich werden, auch für Neu-Olvenstedter, wenn der feste (im Sinne von fest, also ganz fest, unerschütterlich, unbeiirbar) Glaube zum ständigen Begleiter wird, wobei man weiß, daß man einen bedeutenden historischen Vorgänger hat.
Mit diesem Gedanken endet die Durchstreifung von Neu-Olvenstedt.
Kontakt und Stadtteil-Führungen sind möglich unter bergfels@web.de und über das „Büro für Stadtteilarbeit Neu Olvenstedt“. Wir freuen uns auch über Hinweise, Verbesserungen und Anregungen!
Bitte benutzt fleißig die Möglichkeit, unten einen Kommentar zu hinterlassen!
+++Büro für Stadtteilarbeit Neu Olvenstedt+++
Stadtteilmanagement und Stadtumbau, Internationaler Bund (IB), z.Hd. Stefan Köder, Scharnhorstring 38, 39130 Magdeburg – Neu Olvenstedt
Telefon: 0391- 55 923 715, Mobil: 0160 – 589 41 47,
Email: Stefan.Koeder(ät)internationaler-bund.de
www.neu-olvenstedt.de; www.lebendige-nachbarschaften.de
Zunächst einmal vielen Dank für den Artikel – ich bin rein zufällig darüber gestolpert und halte die Idee einen Stadtspaziergang zu visualisieren und einen Eindruck vom Ort zu vermitteln für wunderbar.
Sie meinten…
„Wir freuen uns auch über Hinweise, Verbesserungen und Anregungen!“
…nun ja ich hätte eine Ergänzung zu den Säulengängen/Pergola „Gunter“ Wächtler hat sicherlich die Anordnung der Säulen geplant und ich erkenne auch die Holzelemente von ihm wieder, aber die Keramik an sich stammt aus den Gedanken und Händen von Christel Kiesel. Ich finde den Namen Christel Kiesel hier als Künstlernamen erwähnenswerter!
einen freundlichen Gruß
die Tochter der beiden